Interview
Home > Eigenständige JugendpolitikJugenddialog Mobilität in Fürth

(28.03.2024) In Fürth (Bayern) arbeiten kommunale Jugendbeteiligung und Mobilitätsplanung zusammen, um die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen im öffentlichen Verkehrsraum spürbar einzubringen. Swantje Schindehütte und Matthias Beck von der Stadt Fürth erläutern das Vorhaben.

Stadt in ländlichem Raum mit Blick auf Kirche und Marktplatz Stadt in ländlichem Raum mit Blick auf Kirche und Marktplatz
Foto: Jörg Farys, (c) Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ

jugendgerecht.de: Welche Vorhaben der Stadt Fürth begleitet ihr als Verkehrsplaner und Jugendbeteiligungsexpertin?

Swantje Schindehütte: Als kommunale Fachstelle für Jugendbeteiligung bin ich für verschiedene Formate verantwortlich, in denen junge Menschen mit Kommunalpolitik und Stadtverwaltung zu unterschiedlichen Themen in Dialog treten, wie z. B. das Jugendforum. Auch die Neu- und Weiterentwicklung von kommunaler Jugendbeteiligung hier in Fürth ist Teil meiner Aufgabe. Aktuell liegt einer meiner Arbeitsschwerpunkte darin Strukturen auf den Weg zu bringen, die ermöglichen, dass Jugendbeteiligung im kommunalen Verwaltungshandeln mehr Berücksichtigung finden kann. Ich bin als Expertin für Jugendbeteiligung auch Ansprechpartnerin für die Kolleg*innen in der Verwaltung. Deswegen freue ich mich, dass ich mit meinem Kollegen aus der Verkehrsplanung mit dem 1. Jugenddialog Mobilität ein neues Projekt konzipieren und umsetzen kann.

Matthias Beck: Ich bin Projektleiter für den städtischen Mobilitätsplan. In diesem Plan werden langfristige, strategische Ziele für die Mobilität in Fürth ausgearbeitet, in einem Leitbild zusammengeführt und mit Maßnahmen hinterlegt. Dafür ist eine möglichst breite Beteiligung nötig. Ich arbeite ausschließlich am Mobilitätsplan, da dies eine sehr zeitaufwändige Aufgabe ist. Umso mehr bin ich froh, dass es Swantje als Ansprechpartnerin für die Jugendbeteiligung in Fürth gibt. Ohne ihre Erfahrung, ihr Netzwerk und Fachwissen wäre es schwer geworden qualitativ gute und maßgeschneiderte Beteiligung für Jugendliche umzusetzen.

jugendgerecht.de: Wie funktioniert die Zusammenarbeit des Jugend- und des Baureferats? Wie gelingt es, Jugendliche an eher langfristig angelegten Planungs- und Bauvorhaben zu beteiligen?

Matthias Beck: Es gibt eher formelle Gremien im Mobilitätsplan, wo unter anderem das Jugendamt vertreten ist. Dort wird aber nicht konzeptionell gearbeitet. Dafür habe ich mich mit Swantje getroffen, um zu überlegen wie wir die Jugendlichen beteiligen können. Durch den Austausch ist mir klar geworden, dass es spezifische Formate braucht, um Jugendliche zu beteiligen. Gemeinsame Formate mit Erwachsenen sind möglich, allerdings nicht zielführend.

Swantje Schindehütte: Dem kann ich mich anschließen. Jugendgerechte Formate sind extrem wichtig. Bei langfristigen Projekten braucht es in sich geschlossene Projekte mit einem überschaubaren Zeitrahmen. Außerdem ist es wichtig die Anliegen und Ergebnisse in einem langfristigen Prozess immer wieder sichtbar zu machen und zu kommunizieren was mit den Ergebnissen passiert.

jugendgerecht.de: Und wie gelingt es, den Bau- und Planungsbereich sowie den Stadtrat für Jugendbeteiligung an den Vorhaben zu motivieren?

Matthias Beck: Der Mobilitätsplan ist ein sogenannter Sustainable Urban Mobility Plan, kurz: SUMP. Dieser Planungsansatz der EU stellt die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt. Bürgerbeteiligung spielt dabei eine große Rolle und Jugendliche gehören als Zielgruppe dazu. Gerade, dass es besondere Formate für Jugendbeteiligung braucht, mussten Swantje und ich im Baureferat vermitteln. Ein gewichtiges Argument für die Jugendbeteiligung war, dass die Stadt Fürth bis 2040 klimaneutral werden will. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn klimaschonende Mobilität gefördert wird. Jugendliche werden als Erwachsene gerne nachhaltig mobil sein, wenn sie in der Jugend gute Erfahrungen damit gemacht haben. Kenne ich die Bedürfnisse dieser Zielgruppe nicht, werde ich keine attraktiven Verkehrsangebote entwickeln können. Wie wichtig das ist und was noch zu tun ist, haben die Beiträge der Jugendlichen im Rahmen der Beteiligung eindrucksvoll gezeigt.

Swantje Schindehütte: Zum Glück arbeiten in der Stadtverwaltung viele Kolleg*innen, die für Beteiligung offen sind - eben auch Matthias. Durch ECHT FÜRTH! gibt es zudem bereits seit 10 Jahren eine kommunale Verankerung von Jugendbeteiligung und seit 2018 haben wir auch eine Planstelle die mit 19,25 Std. ausgestattet ist. Es gibt mittlerweile also ein gewisses Selbstverständnis. Mit Sicherheit tragen ein gutes Netzwerk und unsere regelmäßigen Veranstaltungen dazu bei, dass der Mehrwert von kommunaler Jugendbeteiligung gesehen wird. Auch weil im gemeinsamen Dialog immer wieder klar wird, dass sich die Ideen und Anliegen junger Menschen meist gut umsetzen lassen, selten überzogen sind und das Engagement Jugendlicher oft auch anderen Teilen der Stadtgesellschaft zugutekommt. Junge Menschen haben in der Regel nämlich auch ein feines Gespür für die Bedürfnisse anderer.  

jugendgerecht.de: Welche Herausforderungen bestehen in der aktuellen Arbeit und was würde bei der Umsetzung der Aufgaben noch helfen?

Swantje Schindehütte: Gut wäre, wenn Jugendbeteiligung endlich auch im Freistaat Bayern gesetzlich verankert werden würde und sich diese dann auch in der Gemeindeordnung wiederfinden würde. Sicherlich würde es dann nochmal ein ganz anderes Selbstverständnis und auch eine andere personelle Ausstattung für Jugendbeteiligung geben.

Matthias Beck: Ich habe nur wenige gute Beispiele gefunden, wie Jugendliche bei strategischen Mobilitätsthemen beteiligt werden können. Leitfäden und Best Practices wären hilfreich. Ich habe gemerkt, dass die Organisation von Bürgerbeteiligung auf mehrere Schultern verteilt werden muss. Deshalb sind zentrale Ansprechpartner*innen für Bürgerbeteiligung und Veranstaltungsmanagement innerhalb der Verwaltung eine wichtige Unterstützung und geben Handlungssicherheit. Umso mehr, da ich als Wirtschaftsingenieur kein Experte für Beteiligung bin. Die Herausforderung später im Prozess ist, die Ergebnisse aus der Jugendbeteiligung im Mobilitätsplan ausreichend und ausgewogen zu berücksichtigen.

jugendgerecht.de: Was könnt ihr anderen kommunalen Akteur*innen raten, die Jugendliche in die strategischen Planungen im Verkehrsbereich einbinden wollen?

Matthias Beck: Strategische Planungen im Verkehrsbereich sind z. B. Mobilitätspläne und Konzepte für einzelne Verkehrsarten, etwas Radverkehrskonzepte. Diese werden oft extern ausgeschrieben. Als Planer sollte man Jugendbeteiligung explizit mit ausschreiben. Intern sollte man sich vorab orientieren, ob es Ansprechpartner*innen für Bürger- und Jugendbeteiligung gibt und frühzeitig den Kontakt suchen. Die Aufgabe überfordert schnell, wenn man keine Unterstützung hat. Wichtig ist natürlich auch, dass man gute Argumente findet, warum Jugendliche beteiligt werden sollen.

Swantje Schindehütte: Es gibt immer wieder motivierte Kolleg*innen aus anderen Fachbereichen der Verwaltung die Jugendliche beteiligen wollen. Daher ist es wichtig frühzeitig miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Strategien zu entwickeln zu welcher Zeit und in welchem Format Jugendliche beteiligt werden können. So dass Jugendliche nicht in falschen Formaten verprellt und abgeschreckt werden und die Verwaltungsmitarbeiter*innen nicht frustriert sind, weil ihre gute Absicht keine Früchte trägt.

jugendgerecht.de: Welche mobilitätspolitischen Vorhaben konnten bereits mit Hilfe von Jugendbeteiligung erfolgreich umgesetzt werden?

Swantje Schindehütte: Es gab einzelne Maßnahmen, wie Ampeln vor Schulen, die im Jugendforum vorgeschlagen wurden. Es gibt innovative Vorschläge aus der Jugendbeteiligung im Mobilitätsplan. Hinter den Vorschlägen stehen Bedürfnisse der Jugendlichen, z. B. nach Sicherheit und Teilhabe. Ich bin gespannt wie die Verkehrsplanung diese Bedürfnisse in konkrete Maßnahmen übersetzt.

Matthias Beck: Ich bin sicher, dass aus dem aktuellen Jugenddialog einiges in konkrete Maßnahmen einfließt. Dort wurden Themen angesprochen, die Planer sonst nicht auf dem Schirm haben. Vor allem die spezifischen Bedürfnisse an die Verkehrssicherheit müssen wir sehr ernst nehmen und bei zukünftigen Planungen besser berücksichtigen.

Swantje Schindehütte, Matthias Beck. (c) Stadt Fürth

Zu den Personen:

Matthias Beck, Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH), Verkehrs- und Mobilitätsplaner
Matthias Beck arbeitet seit 2022 als Verkehrs- und Mobilitätsplaner bei der Stadt Fürth und leitet dort den Mobilitätsplan. Vorher war er 14 Jahre im Projektmanagement und Lean Management der DB Netz AG beschäftigt und moderiert, konzipiert und begleitet dort als interner Prozessbegleiter Veränderungsprozesse.

Swantje Schindehütte, Dipl. Sozialpädagogin (FH), zertifizierte Prozessmoderatorin für Kinder- und Jugendbeteiligung; systemische Beraterin [DGSF] Anti-Aggressivitätstrainerin®; Coolnesstrainerin®
Swantje Schindehütte arbeitet seit 2006 als Leitung einer Einrichtung in der Abteilung Jugendarbeit der Stadt Fürth. Davor war sie in der mobilen Jugendarbeit und in der Schulsozialarbeit tätig.
Außerdem hat sie seit 2018 die kommunale Fachstelle für Jugendbeteiligung „Echt Fürth“ inne.

Matthias Beck und Swantje Schindehütte haben an der Denkwerkstatt "Jugendgerechte Mobilitätspolitik" mitgewirkt.